Der Jahresauftakt bescherte den meisten Weltbörsen zunächst steigende Kurse, glänzende Aussichten und - von Furcht keine Spur. D.h. nicht ganz. Denn laut aktuellem Prognosetenor sollen die Börsen noch 1 bis 2 Quartale gut bis sehr gut laufen, aber dann soll es erste Störfeuer durch anziehende Zinsen seitens der FED geben. Da es rein statistisch fast unmöglich ist, dass die allgemeine Markterwartung des Jahresbeginns im Verlauf zu 80 bis 100% umgesetzt wird, stellt sich die Frage: Was könnte an dieser Prognose falsch sein? Was an der derzeitigen Prognoselandschaft sofort auffällt, ist die völlige Übereinstimmung seitens der Zinsentwicklung. Es wird erwartet: Hohes Geldmengenwachstum, anziehende Konjunktur, später steigende Inflation und somit ein absolut sicherer Zinsanstieg. Es wird daher folgerichtig empfohlen, langfristige Anleihen zu meiden, da es hier zu drastischen Kursstürzen kommen müsste. So weit so gut, und vor allem völlig richtig, wenn die Zinsen tatsächlich "sicher" steigen werden.
Die FED hat die Möglichkeit steigender Zinsen evtl. schon längst verpasst. Durch eine Vielzahl politischer Zwänge (Stichwort: diesjährige Präsidentschaftswahlen) ist dies vermutlich versäumt worden. Jetzt wird es evtl. erst dann zu einer Erhöhung kommen, wenn sich tatsächlich Inflation einstellt bzw. sich der aktuelle Wirtschaftsaufschwung als nachhaltig erweist. Doch kann sich ein Wirtschaftsaufschwung in einem Land, das nach über 10 Jahren einer Superkonjunktur auf eine notwendige Korrekturphase zusteuerte, aber aus diesem potentiellen Gesundungskoma durch massive Steuergeschenke sowie einer der krassesten Zinssenkungen der Wirtschaftsgeschichte unsanft geweckt und wieder auf die Laufbahn getrieben wurde, als nachhaltig erweisen? Seit Monaten schielen die Märkte auf die Arbeitsmarktstatistiken und sehen nichts Verheißungsvolles. Bis jetzt scheinen diejenigen, die es zwingend für einen dauerhaften Aufschwung zuerst zu überzeugen gilt, völlig unbeeindruckt zu sein, die Unternehmen selbst. Wer einen fortgesetzten Aufschwung erwartet, rüstet sich beizeiten mit neuen, und möglichst fähigen Arbeitskräften. Doch dies ist derzeit in den USA nicht zu beobachten.
Nun kann man nicht ausschließen, das die FED dennoch die Zinsen anhebt, zumindest ein wenig. Dies könnte paradoxerweise einen möglichen Wachstumsverfall sogar verzögern, denn: Wenn die FED jetzt z.B. um 25 bis 50 Pünktchen anheben würden, so würde dies in der umzusetzenden Praxis kaum etwas Negatives bewirken. 1 oder 1.25 Prozent, wen juckt's? Die Wirtschaft bzw. die Konsumenten hätten ein offizielles Signal: "Der Aufschwung ist nachhaltig und wer billig leihen und konsumieren möchte, der muss es jetzt tun!".
Wie dem auch sei, früher oder später dürfte sich der Aufschwung verlangsamen, und dann, wenn es jeder sehen kann, ist die Zeit für stark steigende Zinsen ohnehin abgelaufen. Denn die würden den hoch verschuldeten Verbrauchern den Rest geben und die USA in eine Konjunkturkrise stürzen. Somit sind nachhaltig steigende Zinsen ohne vorherige Inflation kaum zu erwarten, eher sollte das Gegenteil (siehe Japan) eintreten.
Also ist es die Inflation, die anziehen muss, bevor die Zinsen stärker steigen können. Doch Inflation ist nirgendwo zu sehen! Zumindest z.Zt. nicht. Was sind die Ursachen einer Inflation? Im Kurzform: Viel Geld, wenig Waren und ein Konsument, der denkt "Morgen ist es noch teurer!". Deflation: Wenig Geld, viele gute Waren und ein Konsument der denkt "Morgen ist es noch billiger!". Derzeit gehen die Analysen davon aus, dass die Geldmenge durch die billigen Kreditzinsen stark ausgeweitet wird und Inflationsdruck entfacht. Speziell für die USA kommt natürlich der Doppeleffekt des gesunkenen $-Kurses hinzu. Rohstoffpreise, meist in US-Dollar gehandelt, steigen und verteuern so die Produktionskosten; auch z.B. europäische Autobauer könnten sich genötigt sehen, ihre US-Preise aufgrund des schlechteren Wechselkurses anzuheben. Also Inflation? Das Lehrbuch sagt Ja. Allerdings vergisst das Lehrbuch zwei entscheidende Effekte.
Zum einen die Globalisierung: Kaum ein Unternehmen ist heutzutage in der Lage, seine Preise nachhaltig zu erhöhen, ob gewollt oder nicht! Hatte früher ein Unternehmen ein gutes Produkt, so war es jahrelang allein weltweit damit auf dem Markt und "Qualität hatte eben seinen Preis!". Heute sind Nachahmerprodukte meist billiger und schneller auf dem Markt als das Original selbst (CD`s , Software etc). Wenn morgen General Motors seine Preise für Autos erhöhen wird, die Europäer ziehen gerne mit. Aber in der Region der aufgehenden Sonne warten einige Autobauer nur auf diese Gelegenheit um die Räume sofort wieder eng zu machen. Also wenn es Inflation gibt, dann nur weltweit.
Zum andern der aktuelle Grad der Verschuldung! Kann es Inflation geben, wenn die privaten Konsumenten, wie in den USA, hoch verschuldet sind? Ich denke nein. Denn: Höhere Preise müssen auch bezahlt werden, das ist nur logisch. Und zahlen kann sie nur, wer auch das Geld dazu hat. Der US-Konsument hat die jüngste Zinsrunde über Umschuldung voll in den Konsum investiert ohne Inflation zu verursachen! D.h. bis jetzt ist die Geldmengen-ausweitung ohne Folgen geblieben.
Einen weiteren Konsumschub kann es nur über nochmals sinkende Zinsen geben, oder Steuersenkungen. Dann gibt es laut Lehrbuch erneut Inflationsgefahr, aber: Beim jetzigen Verschuldungsgrad kann man keine Inflationsgefahr erkennen. Im Grunde gibt es keine Geldschwemme, sondern eine Geldknappheit! Denn wer viele Schulden hat, der hat nicht mehr Geld in der Tasche, wenn er etwas dazu bekommt, sondern er hat bestenfalls etwas weniger zu wenig, oder? Anders herum betrachtet, bedeutet eine Geldmengenausweitung daher keine Inflation, sondern unter Berücksichtigung der Verschuldung eine gebremste Deflation, die wiederum selbst eine Art Bereinigung des durch vorherige Verschuldung aufgeblähten Konsumgefüges darstellt.
Welche Konsequenzen sich aus dieser oder anderen Sicht für die Börsen, Rohstoffpreise oder Währungen ergeben, wird sich zeigen.
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