Dow Jones erklimmt Allzeit-Hoch!
Innerhalb der USA sieht die Welt wieder in Ordnung aus
„Der Dow Jones erklimmt Allzeit-Hoch!“. So oder so ähnlich haben Sie es sicherlich bereits in den vergangenen Tagen der Presse entnehmen können. Der Ölpreis ist stark zurückgekommen und hat dadurch die Ertragskraft der energiehungrigen US-Wirtschaft gestärkt. Es ist allerdings nicht ausschließlich der Ölpreis, welcher noch vor rund einem halben Jahr wesentlich höher notierte. Auch die industriellen Rohstoffe sind seit Mai dieses Jahres deutlich zurückgekommen. Die Industrie produziert derzeit günstig, nachdem man sich an ewig steigende Rohstoffpreise gewöhnt und diese in die Prognosen eingearbeitet hat.
Der Ölpreis war gleichzeitig einer der Haupt-Inflationstreiber, so daß die US-Notenbank aufgrund des gefallenen Ölpreises nun die Inflationsrate im Griff hat. Durch die gesunkenen Rohstoffpreise ist der Inflationsdruck deutlich gemildert worden. In den USA hat die Notenbank bereits ihre letzte Zinserhöhung zur Inflationsbekämpfung durchgeführt. Die Märkte gehen davon aus, daß das Inflationsgespenst besiegt ist, denn die Renditen der langläufigen Anleihen fallen wieder. Seit Anfang Juli ist die Rendite der 30jährigen US-Staatsanleihe von 5,3 Prozent auf nunmehr 4,8 Prozent gefallen.
Je besser Ihr Kapital mit einer langfristigen Anleihe verzinst wird, desto eher werden Sie es in diese Anleihe stecken. Derzeit ist das langfristige Zinsniveau jedoch recht unattraktiv. Daher investieren viele Anleger ihr Geld lieber in Aktien. Die psychologische Meßlatte für diese Entscheidung ist eigentlich ein Leitzins von 5 Prozent. In den USA ist der Leitzins nun mit 5,25 Prozent knapp über der Meßlatte und eigentlich sollten nun Anleger ihr Geld in Anleihen investieren. Doch untypischer weise sind die kurzfristigen Zinsen, die durch den Leitzins von 5,25 Prozent repräsentiert werden, höher, als die langfristigen Zinsen mit 4,8 Prozent. Die langfristigen Zinsen sind also unterhalb der Meßlatte. Dies führt dazu, das die Mehrzahl der Anleger sich derzeit eben doch der Aktienbörse zuwendet.
Neben den konjunkturellen Rahmenbedingungen sorgen Intel, HP, Cisco, und GM erstmals seit Jahren wieder für eine gute Stimmung. Dies sind Entwicklungen, die gerade erst losgetreten wurden. Dieser Trend wird nicht in wenigen Tagen auslaufen. Dieser Trend wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, meiner Einschätzung nach bis Ende des Jahres. Bis dahin sollte das Öl einen Boden bei 60 US-Dollar bilden.
Bleibt die Frage nach den Rohstoffunternehmen. Diese hängen natürlich vom US-Dollar ab. Und der könnte meiner Einschätzung nach in den kommenden Monaten eine erstaunliche Stärke zeigen. Erstaunlich, weil damit niemand rechnet. Dieser pendelt in diesem Jahr meist zwischen 1,25 und 1,29 USD/EUR. Da ich die Wechselkursparität bei ca. 1,15 USD/EUR sehe, erwarte ich mittelfristig einen Anstieg des US-Dollars. Aus Währungssicht ist es also ein guter Zeitpunkt, in den USA zu investieren. Dies würde dann zu weiterhin niedrigen Rohstoffpreisen führen. Beim Öl bin ich mir ziemlich sicher, dass die OPEC entsprechende Maßnahmen ankündigen wird, um den Ölpreis bei 60 US-Dollar zu stabilisieren.
Seit dem Jahr 2000 hat der US-Dollar gegenüber dem Euro rund 40 Prozent an Wert verloren. Wenn die USA ihren US-Dollar nicht um 40 % gegenüber dem Euro abgewertet hätten, dann stünde der Dow Jones heute vermutlich 40 Prozent tiefer bei 12.100 x 0,6 = 7.260 Punkten. Wenn die Medien also die Meldung verbreiten, dass die Amerikaner ihre Aktienbörse wieder auf dem Niveau von 2000 haben, dann können Sie sich still denken, daß die Amerikaner dafür aber den Preis bezahlen, daß ihre Währung wesentlich weniger wert ist. Auch wenn Sie die Erholung des Dow Jones in Gold messen bekommt der zu erwartende neue Rekord des Allzeit-Hochs einen faden Geschmack. Der Goldpreis stand im Jahr 2000 unter 300 US-Dollar. Heute ist der Goldpreis mit 600 US-Dollar um 100 % höher. Gemessen in Gold steht der Dow Jones heute also bei rund 6.000 Punkten.
Solche Vergleiche sind zwar recht plakativ. Was man jedoch aus dieser Ausführung mit nehmen kann ist die Erkenntnis, daß der in US-Dollar bemessene US-Konjunkturaufschwung zu einem großen Teil nur deswegen so schön aussieht, weil die Finanzmärkte mit US-Dollar überschwemmt wurden. Niedrigstes Zinsniveau der Nachkriegszeit, Rekord neuverschuldung der Bush-Administration und Rekordzuflüsse von Finanzinvestitionen aus dem Ausland haben das Land mit dem grünen Schein überschwemmt.
Es ist auch volkswirtschaftlich bekannt, daß bei einer solch expansiven Geld- und Fiskalpolitik ein wirtschaftlich positiver Effekt erzielt wird. Die Menschen reagieren auf den Geldstrom nur mit einer Zeitverzögerung. Diese Zeitverzögerung sorgt dafür, daß die inländischen Produktionskosten konstant bleiben, während der US-Dollar als Währung bereits kräftig fällt. Durch den gefallenen US-Dollar werden die US-Produkte, die auf den ausländischen Märkten zum konstanten US-Dollar-Gegenwert angeboten werden, in ausländischer Währung billiger und somit wettbewerbsfähiger.
Was wir also in den USA haben ist ein Konjunkturaufschwung, der mit dem Wertverlust des US-Dollar erkauft wurde. Die Amerikaner kümmert es nicht, wenn der US-Dollar im Ausland fällt. Daß die USA durch das Abkommen von Bretton Woods ihren US-Dollar als Rückgrat der Weltfinanz zur Verfügung stellte, kümmert heute niemanden mehr. Doch genau dadurch ist gewährleistet, daß das amerikanische System nicht zusammenbricht.
Gold und Öl haben in den vergangenen Monaten sicherlich etwas von ihrem Reiz verloren. Der Ölpreis ist von 78 US-Dollar auf nunmehr 60 US-Dollar gerutscht und pendelt dort seit Anfang Oktober herum. Der Goldpreis ist von 725 US-Dollar auf Preise zwischen 560 und 600 US-Dollar gerutscht.
Ich bin mir sicher, daß wir in ein paar Monaten wieder deutlich höhere Goldpreise sehen werden. Aktuell kann man jedoch nicht abschätzen, ob die Korrektur im Goldpreis ihren Tiefpunkt bereits gesehen hat, oder ob nochmals ein weiteres Abrutschen des Goldpreises zu erwarten ist. Kann der Goldpreis steigen, wenn der US-Dollar fest notiert und während gleichzeitig alle anderen Rohstoffe noch mit der Bodenbildung beschäftigt sind? In das langfristig überaus bullishe Goldszenario würde eine solche relative Stärke hinein passen.
Ich erwarte, daß die aktuelle Börsenrallye weiter geht, in den Winter hinein an Fahrt gewinnen und erst zum Jahresende hin auslaufen wird. Allerdings sind in zwei Wochen in den USA Kongreßwahlen. Präsident George W. Bush steht aufgrund seiner Irak-Politik kräftig unter Beschuß. Derzeit hat Bush die Mehrheit im Kongreß und kann dadurch sehr gut regieren. Wenn dann diese Regierung noch aus den Republikanern besteht, die traditionell als unternehmerfreundlich gelten und die in den vergangenen Jahren schon weitreichende Steuererleichterungen für die Reichen des Landes durchgesetzt haben, dann herrscht an der Börse natürlich Jubelstimmung. Für die Aktienkurse sind Bush und seine Republikaner gut.
Nun droht Bush aber die Mehrheit im Kongreß zu verlieren. Inzwischen gibt es breite Bevölkerungsschichten, die den Irak-Krieg als Fehler ansehen und sich daher einen Machtwechsel wünschen. Es ist nicht damit zu rechnen, daß bei einer Wahlniederlage der Republikaner ein Börsencrash folgen wird. Dies würde lediglich eine Machtschwächung Bushs bedeuten. Ich erwarte jedoch in den nächsten zwei Wochen Zweifel auf dem Börsenparkett. Zweifel und Ungewißheit über den Wahlausgang sind viel schlimmer als die Gewißheit über einen schlechten Wahlausgang.
In den kommenden zwei Wochen bis zur Wahl werden wir daher immer mehr Zweifel und Ängste an der Wallstreet erleben. Nach der Rallye der vergangenen Wochen und der überkauften Situation bei sämtlichen Aktienindizes ist somit eine Korrektur vorprogrammiert. Nach einer kleinen Verschnaufpause sollte die Börse dann allerdings wieder den eigeschlagenen Trend bis zum Jahresende fortsetzten.
29.10.2006