Aktienanalyse zu Marsh McLennan
Sicherlich ist einigen von Ihnen der weltgrößte Versicherugsmakler Marsh MCLennan (MMC) bekannt, welcher aufgrund der Vorwürfe des New Yorker Generalstaatsanwaltes Eliot Spitzer binnen weniger Tage seinen Marktwert um 50 Prozent, oder in absoluten Zahlen ausgedrückt, um $15 Mrd., halbiert hat.
MMC stand in den Medien mit schlechten Schlagzeilen an vorderster Front. Am 24. Novovember 2004 habe ich die Aktie des Unternehmens als Tradingidee erstmalig kurz vorgestellt (zum Musterdepot).
MMC besteht im Wesentlichen aus drei Einheiten:
Versicherungsmakler Mash, Fondsgesellschaft Putnam und Personalberatung Mercer.
Insgesamt hat Eliot Spitzer dreimal Vorwürfe gegen MMC vorgebracht.
Der erste Vorwurf betraf das "Late Trading" bei Putnam. Darunter versteht man den Verkauf von Fondsanteilen zu Kursen der Vergangenheit. Fondskurse werden einmal am Tag festgestellt. Der tagesaktuelle Kurs ermittelt sich aus den aktuellen Kursen der im Portfolio befindlichen Papiere zu einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn der aktuelle Kurs z.B. um 12 Uhr Mittags festgestellt wird, dann werden alle enthaltenen Aktienkurse von 12 Uhr Mittags zugrunde gelegt, damit ein Portfoliowert ermittelt und anschlie0end durch die Anzahl der Fondsanteile geteilt. Das Ergebnis ist der Fondskurs des Tages. Alle Kunden, die bis um 12 Uhr Fondsanteile gezeichnet haben, erhalten den Fonds zu diesem Tageskurs. Alle Kunden, die erst nach 12 Uhr zeichnen, erhalten den Tageskurs des Folgetages.
Stellen Sie sich vor, ein Putnam Fondsverkäufer erhielt am Abend noch einen Anruf, sagen wir einmal im März vorletzten Jahres, und der Kunde teilte ihm mit, dass er noch dringend einige Millionen Dollar in einen Fonds schieben müsse. Stellen Sie sich vor, das war der Tag, an dem die USA den Krieg gegen den Irak begonnen hatten.
Am Folgetag haben die Aktienbörsen mit einem Kursplus von 3% eröffnet. Der Kunde würde also normalerweise die Fondsanteile zum Preis des Folgetages erhalten, und der wäre rund 3% höher als einen Tag zuvor. Wäre es für den Kunden nicht toll, wenn er noch den Kurs des Vortages erhalten könnte, um vom Start weg mit 3% im Plus zu liegen, sowie für den Fondsverkäufer nicht toll einen zufriedenen Kunden zu haben? Wem würde man dadurch Schaden zufügen?
Bei Putnam kam es häufiger vor, dass der Fondsverkäufer den Kunden noch zum alten Kurs per Formular aufgenommen hat. Spitzer deckte jedoch die gesamte Rechnung dieser Betrügerei auf. Das Kapital, das der Kunde zu so später Zeit besteuerte, liegt über Nacht in bar herum. Der Kurssprung von 3% in Aktien am nächsten Tag wird also nicht voll auf den Portfoliowert übertragen, denn das Neukapital des Kunden profitiert als Bargeld nicht von dem Kurssprung. Der Fondskurs springt dadurch nicht um 3%, sondern nur um etwas weniger, vielleicht 2,999%. Den Verlust haben die Altkunden zu tragen, doch die merken das kaum. Unterm Strich bleibt die Feststellung, dass hier betrogen wurde zugunsten von Großkunden, natürlich zum Nachteil der breiten Masse.
Der CEO von Marsh MCLennen, Greenberg, einigte sich mit Eliot Spitzer auf eine Ausgleichzahlung von $110 Mio. Es wurde recht schnell die vorgeworfene Praxis zugegeben, betroffene Mitarbeiter wurden entlassen und Änderungen, die ein solches Verhalten in der Zukunft unterbinden, wurden eingeführt.
Der zweite Vorwurf betraf den ehemaligen Chef der New York Stock Exchange NYSE (New Yorker Börse) Dick Grasso. Ihm warf Spitzer vor, er habe unmoralisch hohe Provisionen kassiert, obwohl Millionen von Kleinanlegern an der Börse in den Jahren 2000 und 2001 viel Geld verloren hatten. Grasso hatte rund $150 Mio. kassiert, eine Summe, die in meinen Augen tatsächlich außerhalb von moralischen Werten steht.
Aber auf der anderen Seite hatte Grasso einen Vertrag ausgehandelt, darin waren feste Provisionssätze vereinbart und er hatte dann das Glück einer historischen Börsenrallye und konnte sich dadurch über einen Geldsegen unvorstellbaren Ausmaßes freuen. Das mag unmoralisch sein, ist aber nicht unrechtmäßig. Der Geschäftszweig Personalberatung hatte Grasso damals bei seinen Vertragsverhandlungen beraten. MMC war also auch bei dieser Geschichte in den Medien negativ vertreten.
Der dritte Vorwurf bezog schließlich das Versicherungsgeschäft mit ein. MMC vertrieb als unabhängiger Versicherungsmakler Versicherungspolicen. Nun wurde entdeckt, dass es unter den 40.000 Mitarbeitern einige gab, die bei komplexen Policen Absprachen vornahmen. Stellen Sie sich vor, ein Kunde beschreibt ein spezielles Versicherungsbedürfnis und sagt seinem Makler, dass er dafür kalkuliert hat z.B. rund $1.000 zu zahlen.
Nun holt sich der Makler bei verschiedenen Versicherungen Angebote ein und stellt fest, dass eine Versicherung diese Versicherung zu $800 anbieten kann. Wenn der Makler mit dem Versicherungsvertreter gut bekannt ist, dann kam es wohl vor, dass der Makler in einem Telefonat um ein Angebot über $900 bat. Einen weiteren Versicherungsvertreter bat er, ein Angebot über $1.100 einzureichen.
Mit diesen beiden Papieren ging er dann zu seinem Kunden und teilt seinen Verhandlungserfolg mit. Der Kunde freut sich, dass er nur $900 zahlen muss. Der Makler freut sich über eine dickere Provision und der Versicherungsvertreter freut sich über mehr Gewinn aus der Police. Alle sind glücklich, nur der Kunde ist wieder einmal betrogen worden.
Auch aus dieser Geschichte machte Eliot Spitzer eine Reisenstory, der Vorwurf war auf allen Titelseiten der Finanzpresse zu sehen und ein Schauder ging durch die gesamte Versicherungsbranche. Selbst die Münchener Rück verlor an diesem Tag 15%.
Eliot Spitzer weigerte sich mit dem CEO von MMC, Jeff Greenberg, über eine gütliche Einigung zu sprechen. Er ließ verlauten, dass nur ein Managementwechsel an der Spitze von MMC verhindern könne, dass er weitreichende Klagen gegen Mitarbeiter des Unternehmens einreiche. Es gab daraufhin ein Gespräch zwischen Spitzer und dem Chefanwalt von MMC, William Rosoff, in dem Rosoff wohl den Vorwurf erhob, dass Spitzer mit lächerlichen Vorwürfen das Geschäft von MMC lahm lege. Eine Einigung gab es nicht.
Inzwischen hat CEO Greenberg seinen Hut genommen. Anwalt Rosoff musste ebenfalls seinen Hut nehmen. Der neue CEO heißt Michael Cherkasky.
Bis hierhin klingt alles recht unspektakulär. Interessant wird es, wenn man sich die Vergangenheit von Cherkasky ansieht: Er hat vor 20 Jahren Eliot Spitzer seinen ersten Job verschafft. Anschließend haben die beiden engen Kontakt gepflegt und sich gegenseitig in ihrer beruflichen Laufbahn unterstützt.
Cherkasky machte Karriere indem er die Kriminalpraxis von Los Angeles umstrickte. Anschließend trat er 1994 in das Unternehmen Kroll ein, dessen CEO er im Jahr 2001 wurde. Kroll beschäftigt sich mit der Wiederbeschaffung verlorener Daten auf Festplatten. Im Sommer vergangenen Jahres hat MMC das Unternehmen Kroll zu $1,9 Mrd. gekauft. Cherkasky wurde somit in das Management von MMC aufgenommen.
Auf der Suche eines Nachfolgers Greenberg wurden die Chefs der Bereiche Personalberatung, Versicherungsmakeln und Fonds von Spitzer mit der Begründung abgelehnt, dass deren Namen ja auch schon in der Negativ-Presse der letzten Monate verbrannt wurden. Cherkasky ist somit der einzige aus dem Unternehmen, dessen Name noch nicht mit Schmutz befleckt ist. Somit hat nun der weltgrößte Versicherungskonzern einen Kriminalogen und Spionagechef als CEO. Im Übrigen spielen Spitzer und Cherkasky regelmäßig Tennis miteinander. Aber dies ist nur noch ein Detail, das nun nicht mehr verwundert.
Es ist also zu erwarten, dass sich Spitzer und Cherkasky auf eine Strafzahlung einigen können, welche neusten Medienberichten zufolge wohl zwischen $600 - $750 Mio. betragen wird. Eine recht hohe Summe, wie ich meine. Damit würde Eliot Spitzer nach außen demonstrieren können, dass es sich um eine sehr schwere Straftat handelte. Gleichzeitig könnte Cherkasky zeigen, dass er in der Lage ist, die schlechten Geschäftspraktiken in seinem Unternehmen glaubwürdig zu beseitigen.
Fazit
Es ist nicht mehr zu erwarten, dass Eliot Spitzer weitere Attacken auf MMC fährt. MMC sollte es gelingen jegliche weiteren Probleme intern und ohne großen Medienrummel zu beseitigen, um sich wieder auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. In einigen Monaten wird sich kaum mehr jemand an die Einzelheiten dieser Geschichte erinnern. Die Bilanz wird von Analysten nüchtern bewertet werden. Der Aktienkurs wird sich zu diesem Zeitpunkt bis Ende 2005 meiner Einschätzung nach wieder auf dem Niveau von vor dem Kurssturz, also bei $45 befinden.
19.01.2005